Tochter des Windes

Es war wieder einer dieser Abende, gut sie wusste, dass sie notwendig waren, dennoch fühlte sie sich deplatziert. Wenn es nach ihr ginge, würde sie viel lieber in ihrer kleinen Kammer weiter Exponate restaurieren und Katalogisieren als hier gewichtigen Leuten die sowieso keine Ahnung noch Interesse an dem was sie Umgab hatten die Hände zu schütteln, ihnen zu erklären, was sie tat und warum das ganze so wichtig war und das sie doch bitte etwas Geld für das Museum spenden mögen.
Aber es ging nicht nach ihr.
Sie musste wie jeder andere Mitarbeiter des Museum hier gute Miene zum bösen, nein eher ermüdend langweiligem Spiel machen und eine verschwitzte Hand nach der anderen Schütteln. Professor Dr. Dr. Küpner jedoch Blühte hier voll auf. Kein Wunder wo es doch SEIN Museum und SEINE Arbeit war die hier neben seinem Ego zur Schau gestellt wurde. Einzig Kim schien sie zu verstehen, oder zumindest schien er offen ihr Leid zu Teilen, was nicht verwunderlich war, letztendlich wollte er ja was von ihr. Gerade heute konnte er den Blick nicht von ihr wenden und das obwohl sie ihm klargemacht hat das sie nichts von ihm wolle. Gut, es lag nicht an Kim sondern eher an ihr, es fühlte sich alles nicht richtig an, also nicht so wie es sich anfühlen sollte und da ging sie lieber etwas auf Abstand. Sie war eine einsame Wölfin, jawohl eine einsame Wölfin.
Dieser Gedanke ließ sie dann doch schmunzeln.
„Hey, Jana“ Riss sie jemand aus ihrem Gedankengang. „ Na was Denkst du?“ Es war Kim, wie
hatte er? Sie hatte ihn doch gerade noch dort drüben stehen …? „ Hast du dir den Küpner als Schnecke vorgestellt wie er eine Hand nach der anderen vollschleimt?“
„Lass das, das ist nicht Komisch!“ erwidert sie etwas erbost. „ Das Lächeln in deinem Gesicht sagt mir aber etwas anderes.“ Er hatte recht es war Komisch und an sich hatte er damit den Nagel auf den Kopf getroffen, aber ..“lass den Quatsch, wie alt bist du, sechs?“ „Ah Komm du weißt wie ich das meine, ich sehe doch das du dich am liebsten hier davon stehlen möchtest und dich mit der neuen Lieferung aus Norwegen beschäftigen möchtest:“„Ist sie etwa endlich angekommen?“ Jetzt war sie hellwach.
„Ja, ist sie, gerade eben. Habe sie selbst in Empfang genommen und hochbringen lassen.“ Endlich waren sie da, die Funde aus Norwegen. Oh wie Lange hatte sie darauf gewartet, hatte allen hier in den Ohren gelegen, ja sie musste sie förmlich genervt haben, aber endlich, endlich war die Lieferung da. „Hey“, etwas schnipste direkt vor ihrer Nase „Hey, kleines Träumeliesschen, aufwachen ich rede noch mit dir“
Sie lief leicht rot an. „Lass das ich bin ja da.“ Fuhr sie Kim an.
„Hey alles gut. Ich mach dir einen Vorschlag. Du gehst hoch und beaufsichtigst das sachgemäße entladen der neuen Exponate und ich geh zu Dr. Küpner teile ihm die Neuigkeiten mit und entschuldige dich bei ihm, was hälst du davon?“
„Du bist ein Schatz!“ Sie fuhr ihm um den Hals um dann prompt wieder auf Abstand zu gehen. Drehte sich auf dem Absatz um und stürmte aus der Halle.

Ein leichter Wind Umspielte sie als sie die Treppe hinauf stürmte und den vollen Saal hinter sich ließ. Doch sie achtete nicht darauf, wahrscheinlich hatte jemand die Klimaanlage verstellt.

„Kim geleiten sie doch bitte den Herrn Stadtrat zum Ausgang, Ich kümmere mich um Dr. Frohn.“„Wie sie wünschen Chef.“ Endlich waren sie alle weg, na ja fast alle. Julius Frohn war im Vergleich zum Rest etwas anderes, Julius war ein Freund und Studienkollege und niemand bei dem man sich einschmeicheln musste.
Als Kim endlich mit dem Stadtrat, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte abgezogen war, griff er sich an die Fliege und lockerte sie etwas. „Na geschafft?“ Fragte Julius. „Hast du eine Ahnung“ Er ging hinüber zur Theke an der sie den Sektempfang und die Spirituosen
ausgegeben hatten und kramte etwas Eis hervor.
„Auch ein Scotch on the Rocks?“
„Nein Danke Nicklas, ich hatte schon und muss noch fahren.“ wehrte Julius ab
„ Ah komm wie in den guten alten Zeiten.“
„Na gut aber nur einen.“ lenkte Julius ein.
Er schüttete ein zweites Glas auf und schob es Julius rüber.
„ Schau uns nur an, wer hätte gedacht, dass aus uns mal ein Doktor wird. In deinem Fall sogar ein doppelter wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf.“
„Du darfst!“ Er warf sich stolz in die Brust.
„War klar dass du noch einen draufsetzten musstest.“ schmunzelte Julius.
„Was soll das denn heißen?“
„Ach nachdem Simon seinen zweiten Doktor gemacht hat war es doch nur noch eine Frage der Zeit oder nicht?“
Recht hatte er.
„Ah weißt du es gibt wichtigeres im Leben als die Anzahl der Doktortitel, wie geht es der Familie?“
versuchte er das Thema zu wechseln. „Der geht es gut, aber wie ist es bei dir?“ Stichelte Julius weiter, und ging zwar auf seinen Themenwechsel ein blieb jedoch ungehindert in der Offensive was er selbst mit einem groß Schluck kommentierte und sich erst einmal nachgoss ehe er antwortete. „ Ah es hat sich noch nichts ergeben, die Arbeit und so, ich meine so ein Museum leitet sich nicht von alleine.“ Entschuldigte er.

Plötzlich aufkommender Wind umspielte sie beide und trocknete etwas den Schweiß auf seiner Stirn. Wo auch immer diese willkommene Brise herkam sie Tat unglaublich gut.

Auch Julius war der Wind aufgefallen.“ Merkwürdig, wo kommt den plötzlich der Wind her?“ „Vielleicht hat einer der Gäste irgendwo ein Fenster geöffnet, ich werde Kim losschicken wenn er wieder da ist.“ Antwortete er abwinkend „Wie meinst du das mit nichts ergeben?“ geh doch mal aus, oder nutz einer dieser Dating Websites,
oder was ist mit Jana eurer Restauratorin? Die sieht echt schick aus, also wenn ich nicht verheiratet währe..“ Julius zwinkerte verschmitzt. Er schnaufte“ Pah die ist so Prüde, würde mich wundern wenn sie weiß was Geschlechtsverkehr ist! Nein und Datingwebsites? Ich bitte dich, so verzweifelt bin ich nicht.“ Julius blickte auf die Uhr.“ Ah du machst das schon, aber du musst mich entschuldigen ich habe meiner liebsten versprochen nicht zu spät nach Hause zu kommen.“ „Einer der Punkte die gegen eine Beziehung sprechen“ spöttelte er.“ Aber gut ich schau hier noch kurz nach dem Rechten und fahre dann auch nach Hause. Soll ich dich noch nach Draußen begleiten?“ „Nicht Nötig, aber ich ruf dich die Tage mal an.“ Winkte Julius ab und machte sich auf in Richtung Ausgang. Er wusste selbst dass es bei der Ankündigung bleiben würde, er war ja selbst sehr beschäftigt und er selbst musste in Julius Augen ein trauriger, einsamer Kloß sein. Womit er ja auch nicht ganz unrecht hatte. Auch hatte Julius sein Glas nicht angerührt und es wohl nur aus Höflichkeit nicht abgelehnt. Ein Schluck später war auch dieses erledigt. Leider war das Eis bereits zu sehr geschmolzen und der Scotch zu verdünnt als das er seine Wirkung eindeutig zeigte,
da blieb nichts anderes als noch einmal nachzugießen. „Dr. Küpner?“ Gedankenverloren schreckte er hoch.“ Was is?“ Es war Kim „Ich wollte Fragen ob ich nun Feierabend machen kann.“ Wagte sich dieser vorsichtig vor. „Noch nich! Erst leistes du mir hier Gesellschaft und schaust dann nach ob auch alle Fenster zu sind und dann, dann darfst du nach Hause!“
„Nehmen sie es mir nicht übel aber ich bin hundemüde und würde gerne ihr erstes Angebot ausschlagen.“ Antwortete Kim vorsichtig. „Na gut, auch egal, trink ich halt noch einen Alleine!“ Nachdem Kim abgezogen war goss er sich noch einen ein. Nicht mal Kim wollte ihm hier Gesellschaft leiste. Warum war er bloß so alleine?
Und die Sache mit den Frauen …. Er war erfolgreich, sah jetzt nicht sooo schlecht aus aber dafür hatte er Geld und Einfluss …?
Na Gut wenn er an Jana dachte dann wunderte es ihn nicht, apropos Jana, was hatte Kim nochmal gesagt wo sie plötzlich hin ist? Ach ja die neuen Exponate aus Norwegen waren endlich da, war klar das da Jana nicht widerstehen konnte.
Vielleicht war sie ja noch da…. Er nahm noch einen Schluck, überlegte dann kurz und nahm die Flasche einfach mit und begab sich auch nach oben. Ein Hauch von Freiheit, sie konnte wieder etwas fühlen, etwas sehen, etwas hören und sie konnte herumstreifen, wenn auch nicht weit. Doch das was sie sah, das was sie roch und das was sie hörte stimmte sie bedenklich und lies sie Zweifeln. Sie hörte wie der gewichtige Mann über Frauen sprach, roch wie sein Atem zu Alkohol wurde und sah wie er sich die Treppen hinauf quälte. Runenverzierter und Kunstvoll gearbeiteter Tonkrug versiegelt und mit kleinem Riss an der Seite. Inhalt Unbekannt. Diktierte sie und nahm sich vorsichtig das nächste Exponat aus der Kiste. Oh wie sie es liebte all diese alten Schätze aus der Vergangenheit zu inspizieren und zu versuchen herauszufinden, wozu sie da waren. Sie nahm noch einen großen Schluck Kaffee und wandte sich dem nächsten Stück zu als ihr Wind durch das Haar strich, gleich einer Berührung die sich um ihren Kopf legte. Irritiert Blickte sie auf. An sich war das Restauratorium der stickigste und Wind stillste Ort im ganzen Gebäude, da hier die Klimaanlage alles auf ein Minimum reduzierte. Wo kam also der Wind her? „Fräuhäulein Jana?“ War entfernt etwas zu hören, jedoch hörte sie noch etwas anderes, etwas was sie nicht genau verstehen konnte ein säuseln etwas was nach kauf, rauf oder lauf klang, aber das
konnte unmöglich sein. „ Ahhhhhh da sinn sie jaha Fräuhlein Jana, wie schöhön das sie noch da sind*hick*“ Auch das noch… Dr. Küpner, der hat ihr gerade noch gefehlt.
„Naa was machen seh hier noch so spät?“ Wollte dieser Wissen.“ Arbeiten sie hier etwa noch?“ Er kam zu ihr rüber und beugte sich über sie um das was vor ihr auf dem Tisch lag zu begutachten. Nun da er ihr so nah war konnte sie auch deutlich seine Fahne riechen. „Ja, in der Tat ich dachte mir ich verbringe den Abend etwas sinnvoller.“ Antwortete sie etwas Kühl. „Was halten sie davon wenn sie mit mir ein schlühückchen Trinken? Das ist doch noch viel Sinnvoller als hier alleine zu sitzn.“ „Das glaube ich kaum zudem sind sie bereits betrunken! Gehen sie ins Bett, schlafen sie sich aus
und lassen sie mich bitte hier in Ruhe arbeiten.“ Zornesröte schoss in Dr. Küpners Gesicht. „Arbeiten? Sie wollen also Arbeiten? In diesem tollen Fummel? Lassen sie mich ihnen Helfn, das Kleid is doch viel su schade als das sie damit Arbeiten sollten.“
Er griff mit der einen Hand beherzt zu und Riss an ihrem Kleid, während er mit der Anderen anfing an seiner Hose herum zu nesteln. „Was soll das? Ah! Lassen sie das!“ schrie sie erschrocken während sie versuchte sich aus Dr. Küpners Griff zu befreien.
Ihr Kleid gab mit einem Lauten ratschen Nach und sie schaffte es sich herum zu winden. Dabei stieß sie das gerade Katalogisierte Artefakt vom Tisch. Beide hielten einen Moment inne und verfolgten wie in Zeitlupe, wie das Fundstück langsam zu Boden fiel und dort zerschellte. Eine Druckwelle, nein ein Wirbelwind erfüllte den Raum und schleuderte Dr. Küpner zurück, presste und drückte ihn an die gegenüberliegende Wand und eine Kugel bläulichen Lichts bildete sich über ihr im Zentrum des kleinen Wirbelsturms. Eine leicht melodische Stimme, ihre Stimme und dann doch wieder nicht ihre erklang in ihrem Kopf.

Du hast mich befreit, Du hast mich zurückgebracht und du wirst bedrängt. Lass mich dir helfen. Meine Zeit ist Vorbei so ist es nur noch dieser Segen, den ich dir kann geben. Der Wind soll deinem Willen gehorchen und dich und was dir lieb ist schützen auch soll Salz dich Verwandeln und Wasser brechen die Bande so gehe Tochter des Windes und Tochter der Wölfe.

Die Kugel zerstob und so abrupt wie der Wind gekommen war so schnell verschwand er auch wieder. Noch immer starrte sie nach oben während das Gesagte in ihrem Kopf widerhallte. Stöhnend richtete sich Dr. Küpner an der hinteren Wand auf. Er Blickte sich etwas benommen im Zimmer um in dem einiges durch den kleinen Wirbelwind durcheinander geraten war und blieb letztendlich an Jana mit seinem Blick hängen. Einen Teil ihres Kleides hatte er noch immer in der Hand und der Rest hing mehr schlecht als Recht an ihr, ein Zustand der behoben werden musste ungeachtet des mysteriösen Windes der ihn um gepustet hatte, wahrscheinlich war er auch einfach
nur rücklings gestolpert. Er taumelte auf sie zu packte sie bei den Schultern und riss ihr das Kleid herunter, was sie aus ihrer Erstarrung löste. Entblößt und Erschrocken und immer noch etwas Irritiert kochte nun Zorn in ihr Hoch, Zorn dem sie Luft machen musste. Sie schrie, sie schrie so laut und so hoch sie nur konnte und kaum das der erste Ton ihre Lippen verlies kam erneut der Wind wieder auf, nur diesmal noch Stärker als zuvor. Erneut wurde Dr. Küpner weggedrückt ja eher weg geschleudert und gegen die Wand geschmettert, wo er unglücklich mit dem Kopf aufschlug und das Bewusstsein verlor. Doch Janas Zorn ließ nicht nach, nein sie Schrie weiter, Konzentrierte ihre Wut auf den Mann der sie Vergewaltigen wollte und drückte ihn weiter und fester gegen die Wand. „JANA?“ Sie hörte eine Stimme über das Heulen des Windes, eine Stimme die ihr bekannt war und die gegen das brüllen des Sturmes und ihr Geschrei Anbrüllte. Doch sie konnte sie nicht zuordnen und hatte nur Augen für das Schwein. Eine Bewegung in ihrem Augenwinkel unterbrach sie.Es war Kim.
Er versuchte gegen den Wind Anzukämpfen, sich zu ihr durchzukämpfen, zu ihr zu kommen. Sie hörte auf zu schreien und der Wind ebbte ab.
Kim stolperte mehr zu ihr als das er ging und als er bei ihr ankam nahm er sie nur in den Arm mehr nicht.
Er nahm sie in den Arm, Umarmte sie und sagte nichts.

20.11.2014